Vorteile einer vegetarischen Kost bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

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 In den westlichen Industriestaaten sterben pro Jahr mehr Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen als an jeder anderen Erkrankung (46 % der Todesfälle). Die koronare Herzerkrankung ist die bedeutendste Herz-Kreislauf-Erkrankung. Sie beruht auf einer Verengung einer oder mehrerer Herzkranzgefäße. Kommt es zu einem Verschluss der Herzkranzgefäße, entsteht ein Herzinfarkt. Weitere wichtige Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind der Schlaganfall und die periphere arterielle Verschlusskrankheit.


Dem ganz überwiegenden Teil der Herz-Kreislauf-Erkrankungen liegt eine Basisursache zugrunde: die Atherosklerose oder Gefäßverkalkung. Die Ernährungsgewohnheiten des Menschen haben einen erheblichen Einfluss auf die Entstehung oder Vermeidung der Atherosklerose. Vorab einige Bemerkungen zum Aufbau und zur Funktion der Gefäßwände:


Die Gefäßwände sind innen mit einer Zellschicht ausgekleidet, die man als Endothel bezeichnet. Das Gefäßendothel hat zahlreiche biochemische Funktionen. Dazu gehört die Regulierung der Gefäßweite durch Bildung verschiedener Signalmoleküle. Das wichtigste Signalmolekül ist das Stickstoffmonoxid (NO), ein Gas, das aus der Aminosäure Arginin gebildet wird. NO spielt eine zentrale Rolle für die Weitstellung der Blutgefäße. Wenn die Funktionsfähigkeit des Gefäßendothels gestört ist, spricht man von einer endothelialen Dysfunktion.

Aus der endothelialen Dysfunktion entwickelt sich dann die Atherosklerose mit der Bildung von so genannten Plaques bis hin zu einem Gefäßverschluss. Der wichtigste Risikofaktor für die Arterienverkalkung ist das oxidierte LDL-Cholesterin. LDL-Partikel enthalten etwa 80 % des Cholesterins im Blutplasma. Etwa 70 % der LDL-Partikel werden über so genannte LDL-Rezeptoren aus dem Blut entfernt; dies geschieht hauptsächlich in der Leber. Möglich ist dieser Vorgang aber nur, wenn die LDL-Partikel nicht chemisch verändert sind, z.B. durch Oxidation. Eine Oxidation kann im Blutplasma sehr leicht stattfinden, weil es in den Gefäßwänden Enzymsysteme gibt, die erhebliche Mengen an freien Radikalen erzeugen. Wenn gleichzeitig Antioxidantien im Blutplasma fehlen, kommt es zur Oxidation der LDL-Partikel, die dann nur noch von Makrophagen (großen Fresszellen) aufgenommen werden können. Die Makrophagen verwandeln sich dann in so genannte Schaumzellen, die in die Gefäßwände einwandern und dort entzündliche Prozesse auslösen. Dies ist der Beginn der Arterienverkalkung.

Über verschiedene Wirkmechanismen kann die vegetarische Ernährung die Entstehung der Arterienverkalkung verhindern oder zumindest vermindern. Vegetarier nehmen über die Nahrung meist weniger Cholesterin auf als Mischköstler, es sei denn, es werden sehr viele Milchprodukte gegessen. Pflanzliche Proteine haben eine etwas andere Zusammensetzung als tierische Proteine. Pflanzliche Proteine enthalten durchschnittlich mehr von der Aminosäure Arginin als tierische Proteine. Arginin stimuliert die Freisetzung des Hormons Glukagon, das wichtigste Enzym für die körpereigene Cholesterinsynthese. Tierische Proteine enthalten mehr von den Aminosäuren Leucin und Lysin, die die Cholesterinbildung fördern. Wie schon erwähnt, wird aus der Aminosäure Arginin das Signalgas NO gebildet. Dabei ist die NO-Bildung abhängig vom Argininangebot. Durch eine erhöhte Zufuhr argininreicher pflanzlicher Nahrungsmittel kömmem deshalb die Gefäßregulation und die Durchblutung verbessert werden. Argininreich sind z.B. Sojabohnen, Weizenkeime und Nüsse. Nüsse sind ohnehin Herz-Kreislauf-schützende Nahrungsmittel par excellence – man weiß aus vielen Studien, dass der regelmäßige Verzehr von Nüssen das Risiko für Herz-Kreislauerkrankungen deutlich senkt. Nüsse erhöhen das HDL-Cholesterin und verbessern die Insulinempfindlichkeit. Außer Arginin sind es vor allem die einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die die günstige Wirkung der Nüsse erklären.

In einigen Studien zeigte sich bei Vegetariern eine bessere Endothelfunktion als bei Mischköstlern. Vegetarier haben auch eine höhere Oxidationsstabilität des LDL-Cholesterins, allein schon durch eine höher Aufnahme pflanzlicher Antioxidantien.

Einen wichtigen endothelschützenden Effekt hat das Vitamin Folsäure, das von Vegetariern in größerer Menge aufgenommen wird als von Mischköstlern. Folsäure ist erforderlich für den Abbau von Homocystein, das neben OX-LDL ein weiterer sehr bedeutender Risikofaktor für Gefäßerkrankungen ist. Zum Homocysteinabbau werden die Vitamine B6, B12 und Folsäure benötigt, wobei der Folsäure die größte Bedeutung zukommt. Aber auch Vitamin B12 ist sehr wichtig für den Homocysteinabbau, deshalb sollten Veganer unbedingt auf eine sichere B12-Quelle achten. Wenn Vitamin B12 fehlt, steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, das gilt in besonderem Maße für Veganer.

Vegetarier haben meist eine niedrigere Fibrinogenkonzentration als Mischköstler, d.h. die Gerinnungsneigung des Blutes ist vermindert, was auch das Atheroskleroserisiko herabsetzt. Biologisch erzeugte pflanzliche Nahrungsmittel enthalten viel Salicylsäure, die die Verklebung der Blutplättchen vermindert und auch antientzündlich wirkt. Dieser blutverdünnende Effekt dürfte auch eine wichtige Rolle dafür spielen, dass Vegetarier seltener Herz-Kreislauf-Erkrankungen erleiden. Die vermehrte Zufuhr von Kalium und Magnesium vermindert das Risiko für den Bluthochdruck.

Das C-reaktive-Protein (CRP) ist ein gängiger Laborparameter zur Beurteilung der entzündlichen Aktivität des Stoffwechsels. Es ist hinreichend belegt, dass erhöhte CRP-Konzentrationen das Risiko für Herzinfarkt steigern. In einer kürzlich veröffentlichten Studie an fast 4000 Probanden konnte nachgewiesen werden, dass die Teilnehmer mit der höchsten Aufnahme von Pflanzenfasern die niedrigsten CRP-Konzentrationen aufwiesen.