Fleisch und Pheromone

Der hohe Fleischkonsum in den westlichen Industrieländern bedingt zwangsläufig die landwirtschaftliche Erzeugung großer Mengen an Schlachtvieh. So zählte das Bayrische Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten 2001 bei der letzten Viehzählung 4,08 Mio. Rinder, aufgeteilt in 1,4 Mio. Milchkühe und 2,68 Mio. Mastrinder. Vom Statistischen Bundesamt wurden in Bayern im gleichen Jahr 3,564 Mio. Schweine gezählt.

Durch die industrielle Massentierhaltung werden riesige Güllemengen erzeugt und entsprechend in die Umwelt ausgebracht. So ergossen sich aus den Rinder- und Schweineställen Bayerns im Jahre 2001 9,525 Mrd. Liter Gülle über Feld und Flur. Das ergibt umgerechnet auf die Bevölkerung von Bayern 2,2 Liter pro Kopf und Tag.

Allein in den USA produzieren Nutztiere für den menschlichen Verzehr 130 mal mehr Exkremente als die ganze Weltbevölkerung. Eine typische Schweinefarm produziert soviele Exkremente wie eine Stadt mit 12.000 Einwohnern.

Die ökologischen und klimarelevanten Risiken der Massentierhaltung werden zumindest ansatzweise in der Öffentlichkeit diskutiert. Darüber hinaus gibt es noch weitere Problemfelder, die bisher wenig Beachtung fanden, weil ein Zusammenhang zur Massentierhaltung noch nicht ins öffentliche Bewusstsein gerückt ist.

Dabei handelt es sich um die „Pheromone“, deren Bedeutung für Umwelt, Gesundheit und Sozialverhalten leider nicht hinreichend bekannt ist.

Pheromone sind chemische Botenstoffe, die ein phylogenetisch altes Kommunikationsmittel darstellen. Sie werden in Protozoen, Arthropoden und auch in höheren Tieren wie Fischen, Kriechtieren und Säugetieren gefunden. Eine besonders große Rolle spielen Pheromone bei Insekten, deren Fortpflanzungs- und Sozialverhalten über diese Botenstoffe gesteuert wird. Komponenten der Insektenpheromone werden inzwischen industriell hergestellt und als „Biopestizide“ vermarktet.

Am besten sind Säugetier-Signalstoffe bei Nutztieren wie Schwein, Rind, Schaf und Ziege untersucht. Auch hier spielen Pheromone vor allem beim Fortpflanzungsverhalten eine Rolle. Dies macht man sich in der Veterinärmedizin und Tierzucht in der Form des „Dosen-Eber“ zunutze. Durch Anwendung dieses Pheromon-Präparates kommt es zusätzlich bei der Sau zur Freisetzung von Oxytocin und zur Kontraktion von Eileiter und Uterus. Dadurch kann die Trächtigkeitsrate wesentlich erhöht werden. Bekannt als Pheromone beim männlichen Schwein sind die Delta-16-Steroide Androstenon und Androstenol. Die gleichen Substanzen sind auch beim Menschen nachweisbar.

Dass Pheromone das menschliche Verhalten beinflussen wurde lange Zeit als spekulativ betrachtet oder sogar vehement bestritten. Inzwischen gibt es aber eine Fülle wissenschaftlicher Publikationen, die sich mit Pheromoneffekten beim Menschen beschäftigen. Aufgrund der vorhandenen Daten kann nicht mehr ernsthaft angezweifelt werden, dass das menschliche Verhalten erheblich durch Pheromone beeinflusst wird. Die Kosmetikindustrie hat dies längst erkannt. Ein Blick ins Internet genügt, um festzustellen, dass pheromonhaltige Duftwässer in großem Stil beworben und offensichtlich auch verkauft werden.

An der wissenschaftlichen Erforschung der Pheromonwirkung sind ganz unterschiedliche Fachdisziplinen beteiligt wie Anthropologen, Sozialwissenschaftler, Psychologen und Biochemiker. Neuerdings beschäftigen sich auch Neurobiologen, Genetiker und Molekularbiologen mit diesem Thema.

Im Folgenden sollen nun exemplarisch einige Fakten aufgezeigt werden, die sich mit der Pheromonwirkung beim Menschen beschäftigen:

  • - In einer prospektiven Doppelblindstudie konnte gezeigt werden, dass Substanzen aus dem weiblichen Achselschweiss einen synchronisierenden Effekt auf den Menstruationszyklus von weiblichen Testpersonen hatte. (1)
  • - Wie in einer Studie der Universität London festgestellt wurde, hatten weiblichen Versuchspersonen unter dem Einfluss von Androstenol wesentlich häufiger Kontakt mit Männern als eine Kontrollgruppe. (2)
  • - Die Anwendung eines synthetischen Pheromonpräparates bei männlichen Versuchspersonen führte in einer plazebokontrollierten Doppelblindstudie zu einer signifikanten Zunahme von Sozial- und Sexualkontakten zu Frauen. (3)
  • - In Abhängigkeit von der Phase des Menstruationszyklus modulieren Extrakte aus dem Achselschweiß von Frauen die LH-Ausschüttung und den Eisprung bei anderen Frauen. (4)
  • - 1998 wurde von der University of Utah publiziert, dass die Anwendung synthetischer Pheromone die Atem- und Herzfrequenz sowie den Hautwiderstand männlicher Testpersonen änderte. (5)
  • - Durch den Körpergeruch ihrer Lebenspartner wird die Menopause bei Frauen verzögert. Dies berichteten Anthropologen und Psychologen der Universitäten von Massachusetts und Connecticut 2001 im „American Journal of Human Biology“. Sie bestätigten dort statistische Untersuchungen, nach denen verheiratete Frauen über einen späteren Zeitpunkt des Aussetzens ihrer Periode berichteten als alleinstehende Frauen.
  • - Komponenten des Achselschweißes von Frauen in der follikulären Phase erhöhen die Frequenz der pulsatillen LH-Ausschüttung bei weiblichen Testpersonen. (7)
  • - 2002 wurde in „Physiology and Behavior“ eine Studie der Universität von San Franzisko publiziert. In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass ein synthetisch erzeugtes Pheromon als Zusatzstoff in Parfüm die sexuelle Anziehungskraft weiblicher Testpersonen wesentlich steigerte. (8)
  • - 1999 wurde an der kalifornischen Stanford University mittels funktioneller Kernspintomographie nachgewiesen, dass eine östrogenartige Substanz eine signifikante Hirnaktivierung hervorruft, ohne dass diese Substanz von diesen Probanden wahrgenommen wurde. (9)
  • - Im Jahr 2001 wurden zwei weitere bahnbrechende wissenschaftliche Arbeiten publiziert. An der University of Chicago wurde erstmals mit PET nachgewiesen, dass eine Steroidverbindung als Geruchsstoff eine erhebliche Veränderung des Stoffwechsels in manchen Gehirnregionen hervorruft. (10)
  • Das renommierte Karolinska Institut in Stockholm konnte mittels funktioneller Kernspintomographie zeigen, dass das Riechen an einer androgenartigen Substanz bei Frauen den Hypothalamus aktiviert, das gleiche geschieht bei Männern, wenn sie an einer östrogenartigen Substanz riechen. (11)
  • - Im Jahr 2002 wurden zwei wichtige Arbeiten zu den genetischen und molekularbiologischen Hintergründen der Pheromonwirkung publiziert. Es gibt zwei große Familien von Rezeptormolekülen, die auf Pheromone reagieren können. Eine Schweizer Arbeitsgruppe konnte nachweisen, wie eine einzelne Nervenzelle des Vomeronasalorgans auf die Konfrontation mit einem bestimmten Pheromon reagiert (12, 13).
  • - Im Januar 2003 wurde in „Biology of Reproduction“ eine Studie der Universität von Pennsylvania und des Monell Chemical Senses Center in Philadelphia publiziert. Darin wird berichtet, dass Extrakte aus dem männlichen Achselschweiß den GnRH-Pulsgenerator bei weiblichen Testpersonen veränderten. Es kam zu einer vorzeitigen LH-Ausschüttung. Außerdem berichteten die weiblichen Probanden über eine bessere psychische Befindlichkeit. (14)

Im Jahr 2001 erschien ein großer wissenschaftlicher Fachartikel in den „Neuroendocrinology Letters“, der sogar mit einem Wissenschaftspreis ausgezeichnet wurde. In dieser Publikation wird der Stand der Pheromonforschung aus medizinischer und verhaltensbiologischen Sicht dargelegt. Im Schlusswort stellen die Autoren fest: Das menschliche Leben und Verhalten wird durch Pheromone beeinflusst, unabhängig davon, ob uns dies bewusst ist oder nicht. Die ausgelösten hormonellen Reaktionen dominieren die sozialen Interaktionen. Menschliche Pheromone haben ein größeres Potential als alle anderen Reize aus der Umwelt, die Physiologie und dadurch auch das Verhalten zu beinflussen.

Pheromone werden nicht nur über den Schweiss, sondern auch über den Urin ausgeschieden, gebunden an bestimmte Proteine. (15)

Deshalb ist davon auszugehen, dass in der Gülle erhebliche Mengen dieser Steroidverbindungen vorhanden sind und auch in die Umwelt gelangen. Wie schon erwähnt, sind zwei wichtige Eber-Pheromone auch beim Menschen nachgewiesen worden. So stellt sich sicherlich die Frage, inwieweit durch die Verbreitung von Pheromonen auch das menschliche Sozialverhalten in negativer Weise beeinflusst wird. Die bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen eindeutig, dass Pheromone vor allem in limbischen Strukturen wirksam sind, also in Hirnregionen, die nicht durch den Intellekt kontrolliert werden.

Wichtig ist auch die Frage, inwieweit Wildtierpopulationen durch Pheromone aus der Massentierhaltung beeinflusst werden. Hier besteht sicher ein erheblicher Forschungsbedarf.

 

Referenzen:

  1. Preti G et al: Human axillary secretions influence women´s menstrual cycles: the role of donor extract of females. Horm Behav 1986 Dec; 20(4): 474-82
  2. Cowley JJ, Brooksbank BW: Human exposure to putative pheromones and changes in aspects of social behaviour, J Steroid Biochem Mol Biol 1991 Oct; 39(4B): 647-59
  3. Cutler WB et al: Pheromonal influences on sociosexual behaviour in men, Arch Sex Behav 1998 Feb; 27(1): 1–13
  4. Stern K, McClintock MK: Regulation of Ovulation by human pheromones, Nature 1998 Mar 12; 392(6672): 177-9
  5. Monti-Bloch L et al: Modulation of serum testosterone and autonomic function through stimulation of the male human vomeronasal organ (VNO) with pregna-4,20-diene-3,6-dione, J Steroid Biochem Mol Biol 1998 Apr; 65(1 – 6): 237-42
  6. Sievert LL et al: Marital status and age at natural menopause: considering pheromonal influence, Am J Human Biol 2001 Jul-Aug; 13(4): 479-85
  7. Shinohara K et al: Axillary pheromones modulate pulsatile LH secretion in humans, Neuroreport 2001 Apr 17; 12(5): 893-5
  8. McCoy NL, Pitino L: Pheromonal influences on sociosequal behaviour in young woman, Physiol Behav 2002 Mar; 75(3): 367-75
  9. Sobel N et al: Blind smell: brain activation induced by an undetected air-borne chemical, Brain 1999 Feb; 122 (Pt 2): 209-17
  10. Jacob S et al: Sustained human chemosignal unconsciously alters brain funciton, Neuroreport 2001 Aug 8; 12(11): 2391-4
  11. Savic I et al: Smelling of odorous sex hormone-like compound cauces sex-differentiated hypothalamic activations in humans, Neuron 2001 Aug 30; 31(4): 661-8
  12. Belluscio L et al: Odorant receptors instruct functional circuitry in the mouse olfactory bulb, Nature 2002 Sep 19; 419(6904): 296-300
  13. Corina Boschat et al: Pheromone detection mediated by a V1r vomeronasal receptor, nature neuroscience 2002 Dec Vol 5 Number 12 pp 1261-1262
  14. Preti G et al: Male Axillary Extracts Contain Pheromones that Affect Pulsatile Secretion of Luteinizing Hormone and Mood in Women Recipients, Biol Reprod 2003 Jan 22
  15. Achiraman S, Archunan G: Urinary proteins and pheromonal communication in mammals, Indian J Exp Biol 2002 Sep; 40(9): 1077-8