Toxoplasmoseerreger in Fleischprodukten

Mettwurst Tim Reckmann pixelio 2 470 

Die Toxoplasmose ist eine Erkrankung, die durch den Einzeller Toxoplasma gondii ausgelöst wird. Dieser Parasit ist ein Verwandter des Malariaerregers. Toxoplasma gondii kann sich geschlechtlich nur im Darm von Katzen vermehren, deshalb sind Katzen sowie katzenverwandte Tierarten wie Luchse, Pumas etc. die so genannten Endwirte. Nagetiere, Schweine, Pferde, Rinder und auch der Mensch sind so genannte Zwischenwirte; sie dienen dem Erreger sozusagen als Reservoir.


Toxoplasma kann in verschiedenen Erscheinungsformen auftreten, die bestimmten Entwicklungsstadien entsprechen.

Der Verzehr von Fleisch, das Toxoplasmazysten enthält, stellt mit Abstand den häufigsten Infektionsweg des Menschen dar. Besonders ansteckend können rohes Fleisch und ungenügend erhitzte Fleischgerichte sein, z.B. Tartar, Steak und Rohwürste wie Landjäger und Mettwurst. Zysten bleiben bei der Lagertemperatur von 4 Grad Celcius im Kühlschrank drei Wochen lebensfähig. Bei fast allen Tierarten in Europa, die als Fleischlieferanten dienen, wurden schon Toxoplasmaerreger festgestellt. Toxoplasma liegt in Form von Gewebezysten vor; sie sind die Hauptansteckungsquelle für den Menschen.

Bei den meisten Menschen verläuft die Toxoplasmainfektion ohne größere Symptome oder mit nur sehr unspezifischen Krankheitserscheinungen einer Allgemeininfektion, z.B. Grippesymptomen. Nach aktuellen Schätzungen ist ca. ein Drittel der Weltbevölkerung infiziert, ca. 60 – 70 Prozent der Mitteleuropäer weisen spezifische Antikörper auf. In Frankreich, wo gerne rohes Fleisch gegessen wird, liegt der Prozentsatz bei über 80 Prozent.

 

Es gibt vier verschiedene Formen der Toxoplasmose:

Die schlimmste Form ist die angeborene Toxoplasmose, also die Infektion, die vom mütterlichen Organismus auf den Fötus übertragen wird. Die Folge können schwere Hirnmissbildungen, Blindheit, Kalkherde im Gehirn u.a.m. sein.

Die zweite Form ist die erworbene akute Toxoplasmose. Dabei ist eine Form des Erregers im Blut nachweisbar und in anderen Geweben. Symptome sind Fieber, Kopfschmerzen, bis hin zu schweren neurologischen und psychiatrischen Anzeichen. In den meisten Fällen ist die erworbene Toxoplasmainfektion eine mildverlaufende Infektionserkrankung, die oftmals als bakterieller und viraler Infekt missdeutet wird. Die Toxoplasmen veranlassen das Immunsystem zur Bildung spezifischer Antikörper, die im Blut nachweisbar und messbar sind, ähnlich wie bei anderen Infektionskrankheiten, z.B. bei Hepatitis. Die Toxoplasmose geht dann häufig in eine chronische Form über, die meist keine Symptome zeigt, aber an den Antikörper-Titern erkennbar ist.

Die vierte Form ist die so genannte latente Toxoplasmose, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sich der Parasit als Zyste im Muskel- und Nervengewebe aufhält. Bei starker Immunschwäche, z.B. bei Aids, oder bei Behandlung mit immunsuppressiven Medikamenten, kann es wieder zu einer akuten Verlaufsform kommen.

Die Toxoplasmose kann in der Labormedizin serologisch nachgewiesen werden durch die Bestimmung von IgM- und IgG-Antikörpern oder durch einen so genannten Komplement-Fixationstest. Anhand der Antikörper-Titer kann beurteilt werden, ob eine akute oder chronische Infektion vorliegt.


Studien

Die Toxoplasmainfektion führt, wie aus einem Filmausschnitt einer BBC-Produktion (Parasiten, die Killer in uns, 2004) ersichtlich, bei Tieren zu deutlichen Verhaltensauffälligkeiten. Seit etwa 10 Jahren untersuchen Parasitologen der Prager Karls-Universität, ob eine Toxoplasmainfektion auch bei Menschen Verhaltensänderungen zur Folge hat.

Erstmals publizierte 1994 die Prager Karls-Universität eine Studie zu diesem Thema. 338 Versuchspersonen wurden auf Toxoplasma-Antikörper getestet. Außerdem wurde bei den  Versuchspersonen mittels eines international üblichen Fragebogens (Cattell`s personality questionnaire) ein Persönlichkeits-Test durchgeführt. Bei zwei Persönlichkeitsfaktoren zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen Toxoplasma-positiven und Toxoplasma-negativen Menschen. Toxoplasma-Infizierte wiesen eine höhere Affektlabilität sowie höhere Skalenwerte für Dogmatismus, Misstrauen und Eifersucht auf.

1996 publizierte die Prager Arbeitsgruppe eine weitere Studie: 170 Frauen und 224 Männer wurden auf Toxoplasmose untersucht und füllten einen Persönlichkeits-Fragebogen aus. Die meisten der Teilnehmer waren Biologiestudenten oder Mitarbeiter des Zoologischen Instituts. Die angesteckten Menschen unterschieden sich in ihrer Persönlichkeit merklich von Menschen ohne Erreger im Gehirn. Die infizierten Männer hatten beispielsweise eine deutlich geringere Bereitschaft, moralische Standards zu akzeptieren. Infizierte Frauen erschienen seltsam gelöst, oft geradezu vorwitzig.

Eine weitere Arbeit erschien 1999. Diesmal wurden 191 schwangere Frauen getestet. Die Versuchspersonen mit latenter Toxoplasmose zeigten eine höhere Intelligenz, hatten aber eine niedrigere Frustrations-Toleranz und höhere Skalenwerte für Unsicherheit.

Ebenfalls 1999 erschien eine Studie der University of Maryland, in der Nichtvegetarier und Vegetarier auf eine Toxoplasmainfektion untersucht wurden. Bei den Nichtvegetariern waren 50 % infiziert, bei den Vegetariern (Seventh Day Adventists) nur 24 %.

Eine weitere aufschlussreiche Studie der Prager Karls-Universität wurde 2001 publiziert. In einer Doppelblindstudie wurde mit einem einfachen psychometrischen Test die Reaktionszeit von Toxoplasma-negativen und Toxoplasma-positiven Testpersonen verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass Toxoplasma-positive Testpersonen eine signifikant längere Reaktionszeit aufwiesen als die Kontrollgruppe und dass sie wesentlich größere Schwierigkeiten mit der Langzeitkonzentration hatten als die Toxoplasma-negativen. Testpersonen mit einer langen Infektionsdauer, nachgewiesen anhand der Konstellation der Antikörper, schnitten deutlich schlechter ab. Die Autoren bemerkten zum Schluss der Publikation, dass die latente Toxoplasmose aufgrund ihrer großen Häufigkeit (zwischen 30 und 70 % in westlichen Ländern) ein ernstes und hochgradig unterschätztes Problem der öffentlichen Gesundheit darstellen könne.

2002 wurden die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, in der Opfer von Verkehrsunfällen auf Toxoplasma-Antikörper untersucht wurden. Diese Testpersonen wurden mit einer Kontrollgruppe verglichen. Personen mit latenter Toxoplasmose hatten ein 2,7 mal höheres Unfallrisiko als Toxoplasma-negative Personen. Der plausibelste Grund dafür dürfte die schlechtere Reaktionszeit der Infizierten sein.

Die aktuellste Studie der Prager Arbeitsgruppe erschien 2005. 857 Rekruten wurden auf Toxoplasma-Antikörper untersucht, und es wurde ein psychologisches Testverfahren durchgeführt. Bei diesem Test handelte es sich um einen Persönlichkeitsfragebogen, der nach neuesten psychobiologischen Kriterien konzipiert worden war. Wie neuropharmako­logische und neuroanatomische Erkenntnisse in den letzten Jahren gezeigt haben, lassen sich bestimmte Persönlichkeitsfaktoren der Konzentration einzelner Neurotransmitter im Gehirn zuordnen.

Die Toxoplasma-positiven Rekruten unterschieden sich in einigen Persönlichkeitsmerkmalen deutlich von den Toxoplasma-negativen. Vor allem war das Interesse, Neues zu erlernen und Neues kennenzulernen, deutlich vermindert. Der Intelligenzquotient war niedriger, ebenso das Interesse an höherer Bildung.

Aus Untersuchungen an Tieren war schon lange bekannt, dass eine Toxoplasmainfektion zu einem Anstieg des Neurotransmitters Dopamin im Gehirn führt. Aufgrund der Ergebnisse der Rekruten-Studie kann man davon ausgehen, dass dies auch beim Menschen der Fall ist.

Aufgrund der bisherigen Prager Studienergebnisse wurde deutlich, dass eine Toxoplasmainfektion bei Männern und Frauen zu unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen führt. Im Gegensatz zu nichtinfizierten Frauen legten die Toxoplasma-positiven Frauen mehr Wert auf Kleidung und Aussehen. Sie wurden von Männern als attraktiver eingestuft und waren selbstbewusster und weniger gewillt, übliche moralische Standards zu akzeptieren. Auch hatten Sie häufiger Beziehungen zu Männern und neigten dazu, alles locker zu nehmen. Infizierte Männer waren im Vergleich zu nichtinfizierten vermehrt ungesellig, misstrauisch, aggressiv, eifersüchtig, ungepflegt und weniger attraktiv für Frauen. Sie hatten eine Abneigung gegen jegliche gesellschaftliche Regeln.

Bekanntlich ist eine Überfunktion des dopaminergen Systems charakteristisch für schizophrene Psychosen. Im April 2001 berichtete die „Zeit“, dass eine wachsende Zahl von Wissenschaftlern Infektionen als Ursache psychiatrischer Erkrankungen vermutet. Der amerikanische Virologe Fuller Torrey von der University of Maryland untersuchte Blutproben von 53.000 schwangeren Frauen auf Toxoplasmose-Antikörper. Dabei zeigte sich, dass die Mütter schizophrener Patienten deutlich höhere Toxoplasma-Antikörper im Blut aufwiesen als Gesunde.

Seit 1953 wurden 19 Studien durchgeführt, in denen Toxoplasmose-Antikörper bei Patienten mit schweren psychiatrischen Erkrankungen bestimmt wurden. In 18 Studien wurde ein höherer Prozentsatz von Antikörpern bei den betroffenen Patienten nachgewiesen. An der Universitätsklink von Heidelberg stellte man 1998/ 99 bei Patienten mit erstmalig aufgetretener Schizophrenie deutlich erhöhte Toxoplasma-Antikörper-Titer fest. Durch die Behandlung der Schizophrenie mit Psychopharmaka scheinen sich die Antikörper-Titer zu reduzieren. Dies ergab eine Studie der Universität Köln. Ein Zellkulturversuch zeigte, dass z.B. Haloperidol das Wachstum von Toxoplasmen hemmt.

Toxoplasmen können Retroviren im ZNS aktivieren, die wiederum vermehrt bei schizophrenen Patienten nachgewiesen wurden. Frankreich, das zu über 80 % Toxoplasma-positiv ist, hat im Vergleich zu England eine um etwa 50 Prozent höhere Neuerkrankungsrate an Schizophenie. In Irland konnte bestätigt werden, dass in Gegenden mit hoher Toxoplasma-Durchseuchung auch die Schizophrenie verstärkt auftritt. Die vorhandenen epidemiologischen Daten lassen aber noch keine endgültigen Schlüsse zu.

Auch bei Toxoplasma-positiven Kindern wurden Verhaltensauffälligkeiten festgestellt. In einer Studie wurde vermehrt über Lernstörungen berichtet, in einer anderen Studie klagten die Kinder über Energiemangel und vermehrte Müdigkeit.