Braucht der Mensch Fischölkapseln?

Fischoelkapsel knipseline pixelio 470

Die dramatische Überfischung der Meere würde eigentlich eine deutliche Reduzierung von Fangmenge und Fischkonsum erforderlich machen. Stattdessen nimmt die Nachfrage nach Fisch weltweit erheblich zu.

Der Verzehr von Seefisch ist auch deshalb so beliebt, weil von Seiten der Medizin und Ernährungswissenschaft seit vielen Jahren eine Steigerung des Fischkonsums empfohlen wird. Die Entwicklung geht sogar dahin, dass man den Verzehr von Fisch als lebensnotwendigen Faktor menschlicher Ernährung bewertet, etwa nach dem Motto: Kein Fisch zu essen, gefährdet Ihre Gesundheit. Dies ist allerdings nicht mehr als eine absurde Behauptung, denn wenn das stimmen würde, hätten die Menschen früherer Generationen im Binnenland alle krank sein müssen. Erst seit etwa 1860 war es durch die Entwicklung von Eisenbahn und Eismaschine überhaupt möglich, frischen Seefisch von der Küste ins Binnenland zu transportieren.

Was ist der Hintergrund für die Empfehlung, mehr Fisch zu essen? In Fischen, insbesondere in fetten Fischen, sind langkettige Omega-3-Fettsäuren enthalten, die Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA). Diese langkettigen Omega-3-Fettsäuren werden von Algen gebildet und über die Nahrungskette von Fischen aufgenommen und angereichert. Die Mutter der Omega-3-Fettsäuren ist die pflanzliche Alpha-Linolensäure. Omega-3-Fettsäuren sind essentiell, d.h. sie können vom menschlichen Organismus nicht selbst gebildet werden und müssen deshalb über die Nahrung zugeführt werden. Omega-3-Fettsäuren haben verschiedene biochemische Funktionen. DHA ist z.B. an der Bildung von Fettstrukturen des Gehirns beteiligt.
Den marinen Omega-3-Fettsäuren werden eine ganze Fülle gesundheitsfördernder Aspekte zugesprochen -  man könnte fast schon den Eindruck gewinnen, sie seien so eine Art Alleskönner oder Wunderpille in der Ernährung. Sie sollen angeblich vor Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen und möglicherweise vor Darmkrebs schützen. Auch eine Entzündungshemmung, Erweiterung der Blutgefäße, Verbesserung der Immunkompetenz, Blutdrucksenkung u.a. wird als Wirkung angegeben. Es verwundert daher nicht, dass Fischöl in großem Stil als Nahrungsergänzungsmittel in Form von Fischölkapseln angeboten und vermarktet wird.

Es kann nicht bestritten werden, dass bei Menschen mit einem hohen Fleischkonsum der Austausch einer Fleischmahlzeit durch eine Fischmahlzeit einen günstigen Effekt hätte. Vegetarier essen aber keinen Fisch und haben ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Mischköstler. Ungeachtet dessen wurde in einigen Fachartikeln der Frage nachgegangen, ob Vegetarier durch den Fischverzicht möglicherweise gesundheitliche Nachteile hätten. 2009 wurde im American Journal of Clinical Nutrition publiziert, dass es keine ausreichende Evidenz dafür gäbe, dass Vegetarier zum Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen Fischölkapseln einnehmen müssten. Ebenfalls 2009 wurde vom King´s College London publiziert, dass Vegetarier niedrigere DHA-Spiegel im Blut aufwiesen. Es gäbe aber keinerlei Beweis dafür, dass eine niedrigere DHA-Zufuhr bei Vegetariern die Gesundheit und Hirnleistungsfähigkeit beeinträchtigen würde. Wissenschaftler der Arizona State University konnten bei den Siebenten-Tags-Adventisten nachweisen, dass eine vegetarische Ernährung keinen nachteiligen Effekt auf die Stimmungslage ausübte, trotz einer niedrigeren Zufuhr von langkettigen Omega-3-Fettsäuren. Die Siebenten-Tags-Adventisten sind eine Religionsgemeinschaft, die sich ganz überwiegend vegetarisch ernährt und in großen Vegetarierstudien häufig als Population herangezogen wird, wenn es um gesundheitliche Fragen der vegetarischen Ernährung geht.

Im Februar 2012 publizierten Wissenschaftler der Benedictine University die Ergebnisse einer Studie, in der nachgewiesen wurde, dass die Studienteilnehmer, die völlig auf Fleischprodukte und Fisch verzichteten, eine bessere psychische Befindlichkeit aufwiesen als Mischköstler oder Fischesser. Das Ergebnis dieser Studie ist insofern bemerkenswert, weil ja angeblich die maritimen Omega-3-Fettsäuren für Hirnleistungsfähigkeit und Stimmung von zentraler Bedeutung seien.

Nachdem viele Jahre die maritimen Omega-3-Fettsäuren hinsichtlich Prävention und Therapie von vielen Erkrankungen hochgelobt wurden, mehren sich in den letzen Jahren deutlich die Hinweise, dass es mit den postulierten Effekten der Omega-3-Fettsäuren doch nicht so weit her ist. Hierzu verschiedene Publikationen der letzen Jahre:   

Generell ist die wissenschaftliche Beweislage für die postulierten Effekte der Omega-3-Fettsäuren eher dünn und ernüchternd, hierzu verschiedene Publikationen der letzten Jahre.


Kommentar:
Bei Fischöl handelt es sich um eine Substanz, die nur dadurch gewonnen werden kann, dass man Fische fängt und meist grausam tötet. Je höher die Nachfrage nach Fischölkapseln, umso mehr Fische müssen dafür sterben. Bereits jetzt wird ein Drittel des weltweiten Fischfangs nur zur Herstellung von Fischmehl und Fischöl verwendet, wobei natürlich der größte Teil des Fischöls für die Aufzucht von Zuchtfisch in Aquakulturen eingesetzt wird. Genauso wie beim Fleischkonsum stellt sich auch bei der Einnahme von Fischölkapseln die ethische Frage, ob man Tiere für Ernährungszwecke töten darf.

Wer auf Omega-3-Kapseln nicht verzichten möchte, kann auch ohne weiteres auf entsprechende Präparate aus Algenöl zurückgreifen, die die besagten EPA und DHA enthalten. Es sei noch einmal betont, dass Algen die eigentlichen Produzenten von EPA und DHA sind. 

 

Referenzen:

Autor: Dr. Hans-Günter Kugler