Hausgemachte Pandemien

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Im Jahr 2020 erschienen nicht nur sehr viele Fachartikel zu medizinischen Fragen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie; es wurden auch verschiedene Beiträge publiziert, die sich kritisch mit dem Einfluss des Menschen auf die Pandemieentstehung auseinandersetzten.

Bereits Ende März 2020 erschien in ORF.at ein Fachbeitrag mit dem Titel“ Gestresste Fledermäuse übertrugen das Virus“. Der britische Professor für Wildtier-Epidemiologie Andrew Cunningham hält Stress für einen entscheidenden Faktor für die Übertragung der Coronaviren von Fledermäusen auf die Menschen. Zu einer Übertragung von Fledermaus auf Mensch komme es dann, wenn die Tiere großem Stress ausgesetzt sind. Der Epidemiologe vergleicht dies mit den Herpesviren bei Menschen, die ja bekanntlich bei Stress und Schwächung des Immunsystems zur Bildung von Fieberblasen auf den Lippen führen. Ähnlich sei das bei Fledermäusen und den Sars-verwandten Coronaviren. Stressfaktoren für Tiere seien Eingriffe in ihren Lebensraum, das Abholzen von Wäldern, das Fangen und Zusammensperren lebender Tiere in kleinen Käfigen auf Märkten. Je stärker die Biodiversität des Planeten reduziert würde, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass andere Viren von Tieren auf Menschen übertragen würden. Aus der Covid-19-Pandemie müsse man die Lehre ziehen, nicht weiterhin in die Lebensräume von Wildtieren einzugreifen und die Artenvielfalt zu erhalten.

Im Juni 2020 erschien in ORF.at ein weiterer Fachbeitrag mit dem Titel: „Menschengemachte Virenschleudern“. Nach Christine Johnson, Leiterin eines Projekts zu Pandemien an der University of California, würden jene Wildtiere, die aufgrund der Ausbeutung durch den Menschen oder durch den Verlust ihres Lebensraums gefährdet sind, doppelt so viele Viren in sich tragen, die Krankheiten auslösen können. Nach Johnson sind viel besuchte Märkte, wo sich Tiere und Menschen vermischen, ideale Brutstätten für Krankheiten.

Es sind aber beileibe nicht nur Wildtiere, von denen Gefahren für Zoonosen ausgehen. Haus- und Nutztierarten beherbergen besonders viele Viren, im Schnitt etwa achtmal so viel wie wilde Tiere. In Schweinen und Rindern befinden sich zum Beispiel bis zu 30 Virenarten. Nutztiere seien ein besonders großer Risikofaktor wegen ihrer unmittelbaren Nähe zu Menschen und ihrer Haltung auf engem Raum. Der US-Wissenschaftler Michael Greger schrieb zum Beispiel: „Solange es Geflügelfarmen gibt, wird es Pandemie hingeben“. Industrielle Tierhaltung sei der sicherste Weg, Pandemien hervorzurufen. Bei Pandemie sei es keine Frage des Ob, sondern des Wann und des Wie.

In www.mdr.de erschien am 17. August 2020 ein Beitrag mit dem Titel „Seuchen und Pandemien: Die meisten Zoonosen sind menschengemacht“. Der Text nimmt Bezug auf eine Studie, die im renommierten Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht wurde. Beteiligt waren Wissenschaftler des University College und des Imperial College in London, der Universität Oxford sowie der Zoologischen Gesellschaft von London. Die Wissenschaftler analysierten knapp 7.000 Ökosysteme und 376 Arten potenzieller Wirtstiere. Das Ergebnis: Es gibt mehr Arten und eine größere Anzahl bekannter Krankheitsüberträger in vom Menschen verwalteten Ökosystemen als in nahegelegenen ungestörten Lebensräumen. Mit anderen Worten: Die meisten Zoonosen sind auch menschengemacht. Die Umwandlung von Wäldern, Grasland und Wüsten in Städte, Vorstädte und landwirtschaftliche Nutzflächen hat laut der Wissenschaftler dazu geführt, dass sich der Mix der Tierarten gravierend geändert hat. Davon würden hauptsächlich Generalisten wie Ratten und Stare profitieren, die klein und zahlreich sind. Nagetiere würden vermehrt gedeihen, die die Fülle von Krankheitserregern verstärken. Auch Wanzen und Zecken könnten verschiedene Infektionserkrankungen auslösen.

Mit der Studie widersprechen die Forscher Einschätzungen, wonach die Wildnis die größte Quelle von Zoonosen ist. Die populärkulturelle Darstellung von Dschungeln, in denen es von mikrobiellen Bedrohungen wimmelt, sei eine Fehleinschätzung. Durch die menschliche Landnutzung erhöhe sich nicht nur die Anzahl der Wirtstiere, sondern diese würden auch eine größere Anzahl von Erregerarten beherbergen. Wenn Menschen Lebensräume für sich gestalten, würde sich unbeabsichtigterweise die Wahrscheinlichkeit der Übertragung zoologischer Infektionskrankheiten erhöhen.

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