Pflanzliche Proteine - gesundheitliche Aspekte

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Sehr viele Menschen sind bis heute der Überzeugung, dass ohne tierische Proteine eine ausreichende Eiweißversorgung des Menschen nicht möglich sei. Mit pflanzlichen Proteinen sei der Eiweißbedarf des Menschen nicht zu decken, die geringe Wertschätzung pflanzlicher Proteine ist auch daran zu erkennen, dass z. B. der Verzehr von proteinreichen Hülsenfrüchten in Deutschland bei 0,4 – 1,7 kg pro Kopf pro Jahr liegt – während der Fleischkonsum 2015 knapp 60 kg pro Kopf betrug.

Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist entscheidend, ob durch die Proteinzufuhr eine ausreichende Menge an essentiellen Aminosäuren aufgenommen wird. Bekanntlich können die essentiellen Aminosäuren vom Körper nicht selber gebildet werden, sie müssen also obligat über Nahrungsmittel zugeführt werden. Jedes Protein, tierisch und pflanzlich, hat ein spezifisches Aminosäurenmuster, aus dem abgeleitet werden kann, in welchem Umfang dieses Aminosäurenmuster dem Aminosäurenbedarf des Stoffwechsels entspricht. Man spricht von der biologischen Wertigkeit eines Proteins.

Das Volleiprotein hat die höchste biologische Wertigkeit und gilt als Referenzprotein. Bei pflanzlichen Proteinen ist es meist so, dass bestimmte Aminosäuren nur in geringen Mengen im Protein vorhanden sind. Durch eine geeignete Kombination pflanzlicher Proteine kann aber problemlos der Bedarf an essentiellen Aminosäuren gedeckt werden. Zum Beispiel sind Getreideproteine lysinarm und methioninreich, während die Proteine von Hülsenfrüchten lysinreich und methioninarm sind. Eine Kombination von Getreideproteinen und Proteinen von Hülsenfrüchten führt also zu einem vollständigen Aminosäurenmuster.
Tierische Proteine sind für die menschliche Ernährung nicht erforderlich, weil mit pflanzlichen Proteinen eine ausreichende Protein- und Aminosäurenversorgung möglich ist. Proteine aus verschiedenen pflanzlichen Nahrungsmitteln müssen nicht zur gleichen Zeit verzehrt werden, d.h. nicht gemeinsam in einer Mahlzeit. Es ist ausreichend, wenn sie über den Tag verteilt werden. Soweit einige ernährungswissenschaftliche Fakten zu pflanzlichen Proteinen.

Von besonderem Interesse ist natürlich die Frage, ob der Verzehr pflanzlicher Proteine nachweisbare gesundheitliche Auswirkungen hat.

Diesbezüglich fand eine Publikation US-amerikanischer Wissenschaftler der Harvard Medical School im August 2016 erhebliches Medieninteresse. Der Fachartikel wurde in der Fachzeitung „Jama Internal Medicine“ veröffentlicht. Die US-Wissenschaftler untersuchten anhand von Daten zweier Langzeitstudien, wie sich der Verzehr tierischer und pflanzlicher Proteine auf das Sterblichkeitsrisiko auswirkte. Sie nutzen Daten der Nurses` Health-Study und der Health Professionals Follow-Up Study.

Den Wissenschaftlern standen Daten von mehr als 130.000 Menschen zur Verfügung, die zu Beginn der Langzeitstudien im Schnitt 49 Jahre alt waren. Die Studienteilnehmer wurden bis zu 32 Jahre lang begleitet. Während der Langzeitstudien starben 36.115 Studienteilnehmer. Die Forscher setzten die Ernährungsdaten in Bezug zu den Todesursachen und fanden einen Zusammenhang zwischen der aufgenommenen Menge an tierischem Protein und dem Sterberisiko.

Zwischen den Studienteilnehmern mit hohem Konsum von Pflanzenproteinen und Studienteilnehmern mit hohem tierischem Proteinkonsum zeigten sich erhebliche Unterschiede. Wenn der Anteil an tierischem Protein um zehn Prozent im Vergleich zur gesamten Proteinaufnahme zunahm, erhöhte sich das Sterberisiko allgemein auf zwei Prozent; das Risiko an einer Herzkreislauferkrankung zu sterben sogar auf acht Prozent. Im Gegensatz dazu sank das Sterberisiko um 10 Prozent, wenn 3 Prozent mehr pflanzliche Proteine in der Nahrung enthalten waren. Von einem Mehrverzehr pflanzlicher Proteine profitierten besonders die Menschen, die bestimmte Risikofaktoren aufwiesen, z. B. Rauchen, Alkohol oder Übergewicht.

Diese große Ernährungsstudie hat eindrücklich gezeigt, dass ein Mehrverzehr pflanzlicher Proteine die Sterblichkeit deutlich senken kann, woraus man ableiten kann, dass es große gesundheitliche Vorteile hat, mehr pflanzliche Proteine zu verzehren.

Diese Erkenntnisse sind aber in Wirklichkeit nicht so neu, weil regelmäßig Studien publiziert wurden, in denen die Stoffwechseleffekte pflanzlicher Proteine untersucht wurden. In früheren Jahren wurden diese Studien häufig mit Sojaprotein durchgeführt. In den letzten Jahren erscheinen auch immer mehr Fachartikel über ernährungsmedizinische Aspekte der Lupinen.

Im September 2015 publizierten US-Wissenschaftler eine Metaanalyse über den Einfluss von Sojaprodukten auf die Serumlipidspiegel. In die Metaanalyse wurden 35 Studien einbezogen. Es konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass Sojaproteine einen günstigen Effekt auf die Serumkonzentrationen von LDL- und HDL-Cholesterin hatten, wobei die Verminderung der LDL-Konzentrationen bei Patienten mit erhöhten Cholesterinspiegeln besonders ausgeprägt war. Auch die Konzentrationen der Triglyceride wurden durch Sojaprotein gesenkt.

2014 publizierten Wissenschaftler aus den Niederlanden, dass die Aufnahme von pflanzlichem Protein, aber nicht von tierischem Protein, einen günstigen Effekt auf die Blutdruckspiegel bei älteren Männern hatte. Ein hoher Verzehr an pflanzlichem Protein zeigte einen leichten blutdrucksenkenden Effekt.

Wissenschaftler der Universität Jena untersuchten, wie sich 25 Gramm Lupinenprotein, als Bestandteil verschiedener Lebensmittel, auf Stoffwechselparameter von Menschen mit Hypercholesterinämie auswirkte. Die Zugabe von Lupinenprotein zeigte zahlreiche  Effekte, wie eine Verminderung des Gesamtcholesterins und des  LDL- sowie des HDL-Cholesterins. Auch die Konzentrationen der Triglycride und der Harnsäure nahmen signifikant ab, wobei die Veränderungen der Cholesterinparameter bei schwerer Hypercholesterinämie besonders ausgeprägt waren. Die Autoren der Studie kamen zu dem Schluss, dass die Aminosäure Arginin für einige der günstigen Stoffwechseleffekte verantwortlich war.

Forscher aus Italien konnten in einem Zellkulturversuch nachweisen, dass Peptide aus der Lupine den Cholesterinstoffwechsel in der Zellkultur positiv beeinflussten.

Auch in Australien wurde der gesundheitliche Nutzen von Hülsenfrüchten, schwerpunktmäßig mit Süßlupinen, untersucht. Die Süßlupinen gehören zu den Hülsenfrüchten mit dem höchsten Anteil an verdaulichem Protein und Pflanzenfasern. Ihr niedriger Gehalt an antinutritiven Faktoren macht es sogar möglich, dass sie roh verzehrt werden können und nicht unbedingt gekocht werden müssen. Süßlupinen können den Blutdruck senken, die Blutfettwerte verbessern, die Insulinsensitivität erhöhen und die Zusammensetzung der Darmflora günstig beeinflussen.

Ernährungswissenschaftler der Universität Jena publizierten 2015 einen Fachartikel über die Ergebnisse ihrer Untersuchungen an Mehlen der Hülsenfrüchte. Untersucht und verglichen wurden Mehle aus Soja, Kichererbsen, Lupinen und Erbsen. Soja- und Erbsenprotein enthielten wenigsten sechs Prozent Lysin, das Lupinenprotein ca. fünf Prozent. Wie bereits erwähnt, ist Lysin die Aminosäure, die in Getreidemehlen nur unzureichend vorkommt. Lysin ist eine essentielle Aminosäure, weshalb eine ausreichende Versorgung sichergestellt sein muss. Das Zumischen von Mehlen aus Hülsenfrüchten zu Getreidemehlen kann deren Lysingehalt verbessern.

Bei Betrachtung der Aminosäurenzusammensetzung der verschiedenen Hülsenfrüchte war der hohe Arginingehalt der Lupine auffällig, der deutlich über dem der anderen Hülsenfrüchte lag. Arginin ist eine Aminosäure, die für die Regulierung des Blutdrucks und überhaupt in der Prävention von Herzkreislauferkrankungen eine wichtige Rolle spielt. Außerdem ist bekannt, dass Arginin den Lipidstoffwechsel günstig beeinflussen kann. Klinische Studien mit Lupinenmehl konnten eine signifikante Verminderung des systolischen Blutdrucks nachweisen. Ein weiterer vorteilhafter Aspekt des Lupinenmehls ist das günstige Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettäuren. Nach Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sollte dieses Verhältnis maximal 5:1 betragen. Beim Lupinenmehl wurde ein Wert von 4,6:1 gemessen, während insbesondere beim Sojamehl und beim Mehl aus Kichererbsen dieser Quotient sehr viel höher war und deshalb eine unvorteilhafte Fettsäurenzusammensetzung aufwies. Fast die Hälfte des Lupinenfettes besteht aus einfach-ungesättigten Fettsäuren. Die Autoren der Studie empfahlen die Verwendung von Lupinenmehl als Ersatz für den teilweisen Austausch von Weizen- oder Roggenmehl.

Fazit:
Unter den pflanzlichen Proteinen ist insbesondere das Lupinenprotein eine ernährungsphysiologisch und ernährungsmedizinisch wertvolle Eiweißquelle, die viel häufiger als bisher genutzt werden sollte.

Referenzen:

  • Claus Leitzmann/ Markus Keller: Vegetarische Ernährung. Verlag Eugen Ulmer KG 1996, 2013, 3. Auflage
  • Spiegelonline: Ernährungsstudie: Pflanzliches Eiweiß scheint gesünder als tierisches. www.spiegel.de,  01. August 2016
  • Mingyang Song et al.: Association of animal and plant protein intake with all-cause and cause-specific mortality. JAMA Intern Med. 2016;176(10):1453-1463.
  • Tokede OA et al.: Soya products and serum lipids: a meta-analysis of randomised controlled trials. Br J Nutr. 2015 Sep 28;114(6):831-43.
  • Tielemans SM et al.: Associations of plant and animal protein intake with 5-year changes in blood pressure: the Zutphen Elderly Study. Nutr Metab Cardiovasc Dis. 2014 Nov;24(11):1228-33.
  • Bähr M et al.: Consuming a mixed diet enriched with lupin protein beneficially affects plasma lipids in hypercholesterolemic subjects: a randomized controlled trial. Clin Nutr. 2015 Feb;34(1):7-14.
  • Carmen Lammi et al.: Hypocholesterolaemic Activity of Lupin Peptides: Investigation on the Crosstalk between Human Enterocytes and Hepatocytes Using a Co-Culture System Including Caco-2 and HepG2 Cells. Nutrients. 2016 Jul; 8(7): 437.
  • Kouris-Blazos A et al.: Health benefits of legumes and pulses with a focus on Australian sweet lupins. Asia Pac J Clin Nutr. 2016;25(1):1-17.
  • Gerhard Jahreis et al.: Legume flours: Nutritionally important sources of protein and dietary fiber. Science & Research, Original Contribution, Peer-reviewed, Manuscript received: June 12, 2015, Revision accepted: October 15, 2015

Autor: Dr. med. Hans-Günter Kugler