Wo Tiere gehalten werden, entsteht auch Gülle. Wenn sehr viele Tiere gehalten werden, was in der Massentierhaltung in Deutschland der Fall ist, ist das Gülleaufkommen gigantisch. Die jährlich anfallende Güllemenge kann nicht direkt bestimmt werden, vielmehr wird das Gülleaufkommen anhand der gehaltenen Tiere berechnet. Mit 20 Kubikmeter Gülle jährlich pro Rind sind die Rinder die mit Abstand größten Gülleerzeuger. Schweine produzieren ca. 1,5 Kubikmeter Gülle und Schafe, Ziegen und Einhufer ca. 1,1 Kubikmeter. Für Deutschland lässt sich so ein jährliches Gülle- und Mistaufkommen von insgesamt 309.522.716 Kubikmeter errechnen. Das sind ca. 309 Milliarden Liter. Wenn man diese Menge vergleichen möchte, so kommt dies einer Wassermenge von 99.047 olympischen Schwimmbecken oder einer Kugel mit einem Durchmesser von 840 Metern gleich.
In Deutschland wird aber nicht nur „einheimische“ Gülle ausgebracht, nach Zahlen der niederländischen Universität Wageningen wurden allein im Jahr 2016 mehr als 2 Mio. Tonnen Gülle aus den Niederlanden nach Deutschland importiert, was in etwa 66.000 Lkw-Ladungen entspricht. Es ist also eine regelrechte Gülleflut, die auf deutschen Feldern landet. Die Folgen dieser Praxis werden aber jetzt zunehmend deutlich und vor allem auch kostspielig. Spiegel online berichtete im Juni 2017, dass das Trinkwasser bald 45 Prozent teurer werden könnte. In mehr als einem Viertel aller deutschen Wasserspeicher liegt der Nitratgehalt über dem gesetzlichen Limit, was eine Studie des Umweltbundesamtes ergeben hat. Der Grenzwert für Nitrat im Trinkwasser beträgt in der Trinkwasserverordnung 50 Milligramm pro Liter.
Was mögliche Preissteigerungen für Trinkwasser betrifft, nennt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes für Energie- und Wasserwirtschaft Martin Weyand noch höhere Zahlen, nämlich eine Teuerung bis zu 62 Prozent.
In süddeutsche.de vom 06.08.2017 kann man auch noch weitere Fakten nachlesen: Weyand ließ verlauten, dass bei eigenen Messungen der Wasserwirtschaft Nitratbelastungen bis zu 400 mg pro Liter bestimmt wurden und zwar dort, wo das Trinkwasser auf die Brunnen zufließt. Es sei nicht möglich, aus immer tieferen Grundwasserschichten zu fördern, weil mit der Tiefe auch der Salzgehalt ansteigen würde, wodurch das Wasser als Trinkwasser unbrauchbar wird.
Der Verband der Wasserversorgung macht die zunehmende Massentierhaltung für die steigenden Nitratwerte hauptverantwortlich.
Durch das Ausbringen von Gülle werden die Böden und das Grundwasser nicht nur mit Nitrat belastet, sondern auch mit Medikamentenrückständen aus der Tierhaltung wie Antibiotika, Hormone und Mittel gegen Parasiten.
Rinder- und Schweinegülle können mit bis zu 200 Milligramm Wirkstoffe pro Kilogramm belastet sein. Auf Flächen mit regelmäßiger Schweinegülle-Düngung wurden mehr als 100 Mikrogramm Tetrazykline pro Kilogramm Oberboden nachgewiesen. Tetrazykline sind eine wichtige Antibiotikagruppe, sowohl in der Veterinärmedizin als auch in der Humanmedizin.
Forscher des Julius-Kühn-Instituts in Braunschweig konnten nachweisen, dass mit Antibiotika belastete Gülle die Bakterien in den Böden negativ beeinflusst. Das Julius-Kühn-Institut ist das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Deutschland und untersteht dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Gülle im Boden fördert Antibiotikaresistenzen. Antibiotikaresistenzen werden zunehmend zu einem globalen gesundheitlichen Problem, weil Antibiotika gegen eine immer größere Zahl von Krankheitserregern unwirksam sind. In der Gülle befinden sich auch Bakterien, die Resistenzgene tragen. Die Gene für die Antibiotikaresistenz befinden sich in den Plasmiden, mobilen Ringen aus DNA. Plasmide können zwischen Bakterien ausgetauscht werden, sodass die Antibiotikaresistenzgene möglicherweise auch in Bakterien gelangen, die Infektionen auslösen können. Die Forscher aus Braunschweig konnten zeigen, dass dieser Genaustausch auch in Böden funktioniert. Der so genannte horizontale Gentransfer wird durch die Nährstoffe in der Gülle begünstigt oder überhaupt erst ermöglicht. Die Braunschweiger Wissenschaftler konnten bei Escherichia-coli-Bakterien nachweisen, dass der Genaustausch dann besser funktioniert, wenn der Boden vorher mit Gülle angereichert wurde, die viel Antibiotika enthielt.
Im Mai 2017 publizierte die Umweltorganisation Greenpeace die Ergebnisse einer Studie, in der sie bei 19 Gülleproben aus sieben Bundesländern Laboranalysen durchführen ließen. 15 der 19 Gülleproben enthielten Rückstände aus Antibiotika, vor allem aus der Gruppe der Breitbandantibiotika. In 13 Proben fanden die Tester ESBL-bildende Keime. Das sind Bakterien, die gegen Beta-Lactam-Antibiotika resistent sind, die auch beim Menschen häufig eingesetzt werden. In sechs Proben wurden sogar Bakterien mit Resistenzen gegen verschiedene Antibiotikagruppen gefunden.
Es ist schon seit einigen Jahren bekannt, dass Pflanzen Antibiotika aus Gülle gedüngten Böden aufnehmen können. 2005 wurden die Ergebnisse von Untersuchungen der Universität Paderborn publiziert. Die Forscher haben festgestellt, dass noch nach acht Monaten die ausgeschiedenen Arzneistoffe in der gelagerten Gülle aufzufinden waren und auch in den oberen Bodenschichten der gedüngten Felder. Die Analysen der erntereifen Pflanzen ergaben auch Antibiotikagehalte in Wurzeln und Grünanteilen, z. B. war im Korn des Winterweizens das Antibiotikum Chlortetracyclin nachweisbar.
Zwischenzeitlich wurde die Möglichkeit einer Antibiotikaaufnahme von Nutzpflanzen von verschiedenen Forschergruppen bestätigt. Es ist also durchaus möglich, dass der Mensch über die Nutzpflanzen zumindest kleine Mengen von Antibiotika aufnimmt.
Pflanzen können aber nicht nur Arzneistoffe der Veterinärmedizin aufnehmen. 2008 wurde publiziert, dass Salmonellen auch Pflanzenzellen infizieren und die Abwehrmechanismen der Pflanze erfolgreich umgehen können. Bakterien sind also auch in der Lage, in Pflanzenzellen zu überleben und sich zu vermehren. Möglicherweise könnte dies auch für Bakterien zutreffen, die Resistenzgene tragen. Wenn Bakterien bereits im Pflanzengewebe sind, ist zur Entfernung von Bakterien natürlich ein noch so sorgfältiges Waschen z. B. von Salat und Gemüse nicht ausreichend.
Eine exzessive Gülledüngung führt zu Veränderungen der Flora, das heißt, es können dann nur noch Pflanzen wachsen, die mit einem erhöhten Stickstoffeintrag zurechtkommen. Solche Pflanzen werden als Gülleflora bezeichnet, erkennbar z. B. an einer starken Zunahme von Doldenblütlern. Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie stellt in einem Fachartikel auf ihrer Homepage die Frage, ob die Gülledüngung unsere heimischen Pilze bedroht. Über die Luft würden die Nährstoffe ungewollt sogar in Schutzgebiete mit mageren Rasengesellschaften gelangen. Das gesamte Bodenleben, einschließlich der Pilze, sei eher auf Nährstoffarmut ausgelegt. Es gibt nur wenige Pilzarten, die stark erhöhte Nährstoffkonzentrationen im Boden tolerieren. Das heißt, bei einem erhöhten Stickstoff- und Phosphorgehalt im Boden würden viele Pilzarten keine oder nur noch sehr wenige Fruchtkörper bilden.
Gülle hat auch verschiedene nachteilige Wirkungen auf die Pflanzenwurzeln, beispielsweise wird durch den hohen Kaligehalt der Gülle verstärkt wasserreiches Wurzelgewebe gebildet, was infolge die Fäulnisanfälligkeit erhöht.
Die organische Masse des Bodens besteht in etwa aus 85 Prozent Humus und aus 10 Prozent abgestorbenen Pflanzenwurzeln und dem Edaphon, das wiederum aus 40 Prozent Bakterien, aus 40 Prozent Pilzen und Algen sowie ca. aus 20 Prozent Bodentieren besteht.
Es wurde in zahlreichen Studien nachgewiesen, dass die Besiedelungsdichte im Boden durch hohe Güllemengen zurückgeht. Gülle reduziert die Bodenfauna, insbesondere Milben und Springschwänze. Wie Experimente gezeigt haben, ist vor allem der Harnanteil in der Gülle schädlich, weil dort toxische Zersetzungsprodukte entstehen können.
Fazit:
Die Gülledüngung ist nicht nur von Zeit zu Zeit eine unangenehme Geruchsbelästigung, sondern ist in mehrfacher Hinsicht ein enormer Schadfaktor, betreffend Trinkwasser, menschliche Gesundheit und ökologisches Gleichgewicht.
Referenzen:
- riskagua.de: Gülleaufkommen
- sueddeutsche.de, 06.08.2017: Gefahr fürs Trinkwasser
- spiegel.de, 10.06.2017: Trinkwasser bald 45 Prozent teurer?
- PAN Germany, 09.02.2016: Arzneimittel-Cocktail in Böden und Gewässern – Mit der Gülle gelangen problematische Arzneimittel in die Umwelt
- Deutschlandfunk, 14.08.2014: Gülle im Boden fördert Resistenzen
- Greenpeace: Gülletest 2017
- scinexx.de, 07.06.2005: Nutzpflanzen auch Antibiotika-verseucht
- Bassil RJ, Bashour II et al.: Antibiotic uptake by plants from manure-amended soils; J Environ Sci Health B. 2013;48(7):570-4
- Dolliver H, Kumar K, Gupta S: Sulfamethazine uptake by plants from manure-amended soil; J Environ Qual. 2007 Jun 27;36(4):1224-30
- Yinan Wang, K. K. Jason Chan, and Wan Chan: Plant Uptake and Metabolism of Nitrofuran Antibiotics in Spring Onion Grown in Nitrofuran-Contaminated Soil; J. Agric. Food Chem., 2017, 65 (21), pp 4255–4261
- scinexx.de, 29.05.2008: Salmonellenalarm bei Salat/ Lebensmittelvergiftung als Beilage?
- dgfm-ev.de, Bedroht Gülledüngung unsere heimischen Pilze?
- landwirt.com: ist Gülle giftig?